Glas und Praxis

Verbreitung im römischen Reich Mit der Besetzung Syriens durch die Römer (64 v. Chr.) gelangte die Kunst des Glasmachens in de- ren Hände und mit der Verbreitung im ganzen Römischen Reich entwickelte sich eine erste Blüte- zeit der Glaskultur mit der Gründung von Glashütten in Italien. Bereits kurz nach Christi Geburt wurden in Rom die ersten Fensterscheiben in Bürgerhäusern eingebaut und etwa 50 Jahre später entstanden die ersten Römischen Glashütten nördlich der Alpen in Köln und Trier.

Mit der Glasmacherpfeife wird ein Posten zähflüssiges Glas entnommen

Kathedrale St. Vitus in Prag, Tschechien

Um 540 n. Chr. wurde mit der Hagia Sophia in Konstantinopel ein erstes grosses Werk der Sak- ralbaukunst mit Glasfenstern versehen. In der Gotik (ca. 1150 – 1500) genoss Glas in der sakralen Architektur unvorstellbare Wertschätzung, die sogar diejenige von Gold überstieg. In der Kathed- rale von Chartres (Bauzeit 1194 – 1260) wurden 5000 m 2 farbige Glasfenster eingesetzt. Venezianische Glasmacherkunst Vom 9. bis zum 13. Jahrhundert wurde Glas vor allem in Klosterhütten hergestellt. Danach löste sich die Glasherstellung von den Klöstern, es entstanden erste Waldglashütten nördlich der Al- pen, die zuerst nomadisierend ihren Standort (nach dem Vorhandensein von Holz) wechselten und ab dem 18. Jahrhundert sesshaft wurden. Die Glaserzeugnisse aus diesen Hütten galten wegen des stark eisenoxidhaltigen Sandes und der damit verbundenen Grünfärbung nicht als Spitzen- qualität. Beispiele in der Schweiz für solche Waldglashütten sind die „Verrerie près de Roche“ (1776) und die „Glasi Hergiswil“. Absolute Spitzenqualität in Sachen Glaserzeugnissen kam vom 15. bis 17. Jahrhundert aus Venedig. Der Erfolg des venezianischen Glases beruhte auf seiner ausser- gewöhnlichen Reinheit und Farblosigkeit. Den venezianischen Glasmachern, die seit 1280 in einer Glasmacherinnung organisiert waren, gelang die Entdeckung eines Entfärbungsmittels aus der Asche einer Strandpflanze. Mit der Androhung von martialischen Strafen konnten sie dieses und andere Geheimnisse der hohen Kunst des Glasmachens über eine lange Zeit unter Ihresgleichen halten und kamen damit nicht nur zu Ruhm sondern auch zu ansehnlichem Vermögen.

16 I Der Baustoff Glas

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