Glas und Praxis

Erstes Gussglasverfahren 1599 wurde in Leiden/Holland das erste verglaste Gewächshaus erstellt. Zunehmend wurde nun Glas nicht nur in Kirchen und Klöstern verwendet, sondern auch für Stadthäuser, Palais und Schlösser und damit steigerte sich die Nachfrage. Der immer grösser werdende Bedarf und die Monopolstellung Venedigs trieb die Glashütten an, nach neuen Produktionsverfahren zu suchen. Um 1688 wurde in Frankreich das Gussglasverfahren entwickelt. Die zähflüssige Glasmasse wur- de auf eine glatte vorgewärmte Kupferplatte ausgegossen und mit einer wassergekühlten Me- tallwalze zu einer Tafel ausgewalzt. Das neue Verfahren war wesentlich produktiver als bisherige und erzeugte deutlich ebenere Tafeln, die anschliessend geschliffen und poliert wurden. Die so genannten „grandes glaces“ massen 120 x 200 cm, waren von hoher Qualität und in verschiedenen Dicken erhältlich. Gewächshäuser in England Am Anfang des 19. Jahrhunderts entstand, insbesondere in England, ein neuer Bautyp, das so ge- nannte „Gewächshaus“, auch als Orangerie oder Palmenhaus bekannt. Die Gebäudehülle bestand lediglich aus Eisen und Glas, wobei das Glas zum ersten Mal statische Funktionen als Ausstei- fungselement übernahm. Einen Höhepunkt erlebte diese Glasarchitektur mit dem Bau des „Kris- tallpalastes“ für die erste Weltausstellung 1851 in London. Der von Joseph Paxton konzipierte Gebäudekomplex mit auch für heutige Massstäbe riesigen Abmessungen (Länge 600 m, Breite 133 m, Höhe 36 m) bestand aus einer Eisenkonstruktion, ausgefacht mit 300000 einzelnen Glas- scheiben. Die klaren reduzierten Eisenkonstruktionen und der offene Raum wurden Grundlage für die moderne Glasarchitektur.

Kristallpalast, London

Im 19. Jahrhundert wurden auf allen Gebieten der Glasherstellung Fortschritte erzielt. So wurde zum Beispiel das Guss- und Walzverfahren kontinuierlich weiterentwickelt zu immer grösseren Scheibenabmessungen (1958 waren Abmessungen von 2,50 x 20 m möglich). Weiter wurde das Zylinderglasblasen unter Einsatz von Pressluft verbessert. Glaszylindergrössen von 12 m Höhe und 80 cm Durchmesser wurden möglich und damit theoretische Scheibengrössen von ca. 2,50 x 11,50 m. Guss- und Rohglas wird im Prinzip noch heute im Walzverfahren hergestellt.

Der Baustoff Glas I 17

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